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 Rare Earth (Februar 2004)

Hier die Konzertbesprechung über die alte Motown-Legende Rare Earth. Wieder ein Konzert bei dem Andreas und ich gleichermassen anwesend waren (daher auch "zwei" kurze Kommentare) :


Rare Earth (Fabrik, Hamburg, 09.02.2004)

Das noch junge Jahr läutet mit einer alten 35 Jahre bestehenden Band
ein : RARE EARTH ! Mal wieder war es "Musikprofessor" (dem Titel gebe ich ihm nun mal eben an dieser Stelle!) Andreas, der mir zu dem Konzert riet. Ich als eingefleischter Motown-Fan konnte mich natürlich nicht entziehen, nachdem ich ein paar Live-Hörproben vorgespielt bekommen habe.

 Eigentlich war ja ein Besuch der Funk Brothers, den Urvätern und Machern des Motownsounds, ein paar Tage zuvor im CCH geplant, irgendwas kam aber dazwischen - vielleicht gut so, sonst hätten wir das tolle Konzert der "weissen" Motown-Band gestern wohl nicht mitgenommen.

 Das sehr virtuose Programm reichte von Bluesrock, über Soul bis hin zu alten Motownklassikern und Funk. Besonders imponiert hatte mir der schwarze Drummer Floyd Stokes Jr., der zugleich die zweiten Leadvocals neben Saxophonist und Leader seit Beginn (Gil Bridges) einnahm und den "schwarzen" Soul mit seiner Stimme einbrachte. Mit einem schwarzen Muscle-Shirt und einem korpulenten Körper bestückt, wirkte er wie ein einer dieser typischen alten Soulmusiker aus Harlem oder der Bronx - doch diese Band kam ja bekanntlich aus Detroit, der Motown-City und das liessen sie uns spüren... Man merkte den mittlerweile in die Jahre gekommenen Jungs immernoch die Spielfreude an, die sie wohl zu Beginn ihres Bestehens schon so auszeichnete. Man fühlte sich wirklich zurückversetzt in die alte Zeit. Manchmal wünscht man sich zurück - irgendwie habe ich immer vermehrt das Gefühl, ich lebe im falschen Jahrzehnt, wo Musik mehr vermarktet wird, als zelebriert.

Hey, klasse Überleitung ! Wo doch ein Song von Rare Earth "I Just Want To Celebrate" heisst Hier "mussten" sogar vereinzend aufgeforderte Besucher der ersten Reihe stimmlich mitmachen, nachdem sie das Mikro vor die Nase gehalten bekamen.

 An die 110 min. haben Rare Earth, bestehend aus fünf Musikern, in der stilistischen Fabrik gespielt, die für diese rauchige Club-Musik wie geschaffen scheint. Saxophon, Hammond-Orgel-Sound und Tambourine unterstrichen perfekt, wenn auch etwas leicht im Hintergrund wie Andreas und ich einvernehmlich vernahmen, den souligen Sound. Der NUR von der Erscheinung her unauffällig wirkende Keyboarder Mike Bruner war voll in seinem Element und sog die Musik förmlichst in sich auf - ich glaube so wie ihn, habe ich noch nie jemanden Orgel spielen sehen. Über die gesamte Zeit "duellierte" er sich freundlich mit seinen Musikgefährten, speziell mit dem alten, gemütlich-wirkenden Bassisten Randy Burghdoff aka "Bird" (der übrigens ein tolles Baßsolo bei dem etwa 18minütigen "Get Ready" vortrug), und interagierte lächelnd mit dem Publikum. Es war ein ständiges "Bällezuspielen" das die Musik trug. Wie auf dem Fussballplatz Wenn man dort miteinander redet, perfektioniert sich das Spiel für gewöhnlich, so auch hier bei der Band. Niemand spielte für sich, sie spielten ZUSAMMEN. Soli wurden von den übrigen tatenreich unterstützt und bejubelt, so personifiziert sich das Wort BAND ! Keine Einzelgänger, ein Guss ! Ray Monette "schoß den Vogel in positiver Hinsicht ab", als er in seinem Gitarrensolo anfing in Hendrix-Manier die Gitarre vor/mit dem Mund zu bearbeiten - kein Deut gealtert der Gute.

 Ich habe mittlerweile schon so einige Konzerte erlebt, Andreas sicher seines Alters wegen noch mehr, aber bisher haben Rare Earth für mich, was die Virtuosität und Spielfreudigkeit angeht, wohl die Spitze neben der E Street Band von Springsteen erklommen - einzig der leicht untersetzte Sound von Keyboard und Saxophon könnte zu ein paar Abstrichen führen. Würde man eine Soundboardaufnahme bewerten, hätte man wohl rein garnichts zu beanstanden - das war Musik pur ! Wieder einmal musste eine alte Band daherkommen und einem zeigen was dem Begriff Musik verinnerlicht

(a.j.)
[ andre@lonereviewer.de ]

 

 

Um die Jahreswende suchte ich mir wieder eine meiner alten Langspielplatten zum Überspielen auf CD aus, um sie auch mal im Auto hören zu können. Welch ein Fortschritt heute: Eine CD kann man einfach so im Auto abspielen, das ging früher (und heute) mit Vinylschallplatten nicht. Im Gegensatz zu Andre meine ich also, dass dieses jetzige Jahrzehnt für Musikhörer auch Vorteile hat .. wenn man auf Bands ausweicht, die Musik klassischer Prägung beherrschen.

 

Wie Rare Earth: Meine Wahl fiel zur Jahreswende auf die Rare-Earth-Live-Doppel_LP „In Concert“ von 1971, durch intensive Benutzung schon ziemlich verknistert. Während ich insgesamt nur vier Langspielplatten von Rare Earth besitze, also nie ein harter Fan der Gruppe war, ist „In Concert“ immer noch eines meiner besten Live-Alben aller Zeiten. Andre stellte ich ein paar Live-Hörproben von Rare Earth bereit, für Motown-Anhänger ist die einzige weiße Band beim schwarzen Label ja ein Muss.

 

Etwa einen Monat später kamen plötzlich Gerüchte auf, dass Rare Earth im Februar auf Deutschland-Tour ist. Wenige Tage später las ich die Bestätigung in der von mir abonnierten Zeitschrift „Good Times“. Rare Earth war am 9.2. in der Hamburger Fabrik. Schnell die anderen Termine so gelegt, dass alles zusammenpasst, und am Montag abend nach Hamburg gefahren.

 

Band und Publikum waren extrem relaxt, das von Andre schon zitierte Wort „Spielfreude“ kann man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen: SpielFREUDE. Alle fünf auf der Bühne hatten ihren Dauerspaß mit sich selbst, dem mitgehenden und teilweise auch den Text mitsingenden Publikum.

 

Da ich die Band nur aus der ersten Hälfte der siebziger Jahre kannte, war ich überrascht über die perfekte Abstimmung zwischen den alten (Gründungsmitglied Gil Bridges am Gesang und Saxophon; das Fast-Gründungsmitglied Ray Monette an der E-Gitarre) und den neuen am Bass und an den Keyboards sowie mit dem schlagzeugenden Lead-Sänger. Naja, neu: Das jüngste Mitglied kam vor sechs oder sieben Jahren zu dieser Rare-Earth-Besetzung dazu, so lange haben diese fünf schon „Spielpraxis“.

 

Zu den Kritikpunkten: Andre hatte schon den verwaschenen Sound und die etwas zu dünnen Keyboard- und Saxophon-Klänge moniert. Die Texte waren auch nur teilweise zu verstehen. Das kann aber auch alles an der Akustik in der engen Fabrik gelegen haben. Der Schlagzeuger Floyd Stokes Jr. Hatte manchmal etwas zu viel Power, das filigrane Spiel von Pete Rivera (Drums) und Ed Guzman (Percussion) von der 1971er Besetzung ging etwas verloren. Und leider war der Klassiker aller Jeder-bekommt-sein-Solo-Songs, Get Ready, statt 23 Minuten diesmal nur 18 Minuten lang: Insbesondere fehlte das Gitarrensolo ...

 

Zum Positiven: Das Gitarrensolo fehlte nicht, es war nur in ein anderes Lied verschoben worden. Ray Monette spielte mit dem Mund Gitarre, wie vor über 30 Jahren nicht nur er. Die Setlist war ausgewogen: Alle großen Hits mit „Big John is My Name“, „Hey, Big Brother“, „Born to Wander“, „Get Ready“, „Ma“, „I Know I’m Losing You“ und als dritte Zugabe „I Just Want to Celebrate“ waren dabei, teilweise in sehr langen Versionen mit vielen Soli und Improvisationen. Einige unbekanntere alte Stücke wie „Tobacco Road“ (ein Blues vom Debutalbum), „Smiling Faces Sometimes“ (von Ma), und die Überraschung von einem in Deutschland aufgenommenen Spätwerk „Different World“ aus dem Jahre 1993 („Live It Up“) rundeten die Setlist ab. Dazu kam mit „Papa Was a Rolling Stone“ ein Cover – natürlich ein Motown-Song.

 

Die weiße Band war teilweise noch weißer geworden (beim über 60-jährigen Gil Bridges waren auch die Haare schneeweiß), aber auch etwas schwärzer: Mit Floyd Stokes Jr. War der erste Schwarze Mitglied der Band. Das Prädikat „die schwärzeste Musik von einer (fast) weißen Band“ trifft aber weiterhin in vollem Umfang zu .. auch nach 35 Jahren „Dienstalter“

..

 

Zum Schluss zum Halbwissen: Den Song aus dem Jahre 1993 kannte ich noch nicht, ich hatte Rare Earth bereits Ende der 70er wieder aus den Augen verloren. Und da fiel mir während des Konzertes der Name des Gitarristen nicht mehr ein, obwohl er seit 34 Jahren dabei ist.  Naja, als ernannter „Musikprofessor“ darf man ja ruhig senil oder zerstreut sein ..

 

(a.h.)
[ andreas@lonereviewer.de ]

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