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 Elton John (Dezember 2003)

Elton John, Color Line Arena Hamburg, 13.12.2003

 

Zu dem Konzert bin ich mit meiner Mutter (hat auch ihre Top-5 Konzert-Rubrik unter Annegret) gegangen. Wir beide haben versucht unsere Erwartungen möglichst gering zu halten. 1998 waren wir bei dem Elton John Konzert in der Waldbühne. Eigentlich sollte es ein Doppelkonzert mit Billy Joel sein, aber Billy konnte nicht mal sprechen, so dass Elton alleine war. Hierdurch kam es zu einem der denkwürdigsten Konzerte. Elton gab für uns alles und noch mehr. Wir hatte für damalige Verhältnisse sehr viel bezahlt (immerhin zwei Superstars), wofür uns Elton dann entschädigen wollte. Dazu kam ein sinnflutartiger Regenfall, der uns alle auch trotz Regenzeug total durchnässte. Auch Elton und sein Flügel wurden richtig nass. Alle paar Lieder musste ein Roadie den Flügel mit Handtüchern trocknen. Dass alles tat aber der Stimmung keinen Abbruch, sondern ganz im Gegenteil verausgabten wir und Elton uns total. Elton spielte alle seine Hits und auch eine ganz Reihe von Billy Joels Songs (Piano Man, Uptown Girl ua.). Im Konzert wies dann Elton die Ordner an den freigehaltenen kleinen Innenraum zu öffnen, so dass die Fans fast den Flügel berühren konnten. Elton spielte gut über drei Stunden (er ist nicht wie der Boss nicht gerade für seine langen Konzerte bekannt). Für meine Mutter und mich war dieses Konzert eines der absoluten Highlights unseres Musiklebens. (Sorry aber die Geschichte mit der Waldbühne musste ich einfach erzählen. Auch auf dem Konzert in der Colorline Arena und schon in der S-Bahn mussten mindestens drei wildfremde Pärchen unsere Geschichte hören.)

 

So es war also endlich Samstag und es war Elton-Wetter. Starker Dauerregen. Für mich war es auch das Erste Mal, dass ich in der Colorline-Arena war. Die Preise waren sehr gepfeffert. Übrigens war das Konzert Eltons einziger Auftritt in Deutschland. Die Anreise war nicht ganz einfach, da vorher in der AOL Arena der HSV gespielt und gewonnen hatte. Die Masse betrunkener Fußballfans strömte uns entgegen. Es viel im Konzert auf, dass eine ganze Reihe an Leuten eine halbe bis ganze Stunde zu spät kamen. Daher war die Halle auch kurz vor Beginn noch nicht ganz voll. Nun zur Bühne und Einrichtung. Der Innenraum war bestuhlt und auch hinter der Bühne saßen einige Fans. Auf der Bühne fiel natürlich gleich Eltons Flügel auf und die wenigen Instrumente. Es gab vom Zuschauer gesehen links hinter Elton ein Keyboarder und davor einen Getränkestand für Elton, rechts davor hinter dem Flügel saß der Bassist (kaputte Bandscheibe), in der Mitte das Schlagzeug und rechts der Percussion-Freak, vorne fast in der Mitte stand der Gitarrist. Es waren also insgesamt sechs Personen auf der Bühne. Die Band war also wesentlich kleiner als in der Waldbühne, wo er eine Bläsertruppe und noch ein paar Backroundsänger zusätzlich hatte. Über der Bühne gab es neben einander drei Leinwände die mit freischwenkbaren Strahlern umrahmt waren.

 

Das Konzert begann für Elton relativ pünktlich mit zehn Minuten Verspätung. Elton hatte ein schwarz-leicht rotes Jackett an. Er sah hinter seinem Flügel leicht pummelig aus. Die Band haute gleich richtig rein und rockte ordentlich los, wobei wir das Lied nicht kannten. Hierbei war die Lautstärke ziemlich hoch. Ich bin ja bekannterweise in diesem Punkt sehr empfindlich, aber sogar meiner Mutter war es zu laut, und die hat bei diversen Rocknächten ihr Gehör nicht gerade geschont. Aber an Fleetwood Mac kam Elton nicht ran. Nach ein paar Liedern hatte man sich dann „rein“ gehört.

 

Das Konzert kann man in zwei Teile teilen. Im ersten Teil spielte Elton eine Reihe nicht so bekannter Lieder, die aber gut arrangiert waren. Elton und seine Band mussten sich noch finden und das Publikum musste erst einmal warm werden bzw. überhaupt erstmal ankommen. In dieser gut einen Stunde zog sich das Konzert richtig. Selbst „Daniel“ ging doch ziemlich unter. Mir schwante böses. Das könnte ein langer Samstagabend werden. Ich holte sogar meine Eintrittskarte heraus um zu schauen, ob die Tour statt Greatest Hits Tour vielleicht „ich-spiele-Euch-komplett-meine-letzten-zwei-Studioalben-vor-Tour“ hieß. Meiner Mutter und einigen anderen ging es genau so. Von der Setlist her kennt man im Nachhinein doch ein paar Lieder, aber die wirkten überhaupt nicht. Elton wirkt sehr gehetzt und hetzte so auch durch die Songs. „I guess that´s why they call it the blues“ ein Song den ich auch in einer rockigen Version gut bis sehr gut finde, wurde schnell durch gespielt und das war’s. Bei seiner Begrüßung konnte man hören, das Elton doch ganz gut erkältet war. Alles deutete auf einen schwachen Abend hin, einzig dafür da, Elton ein paar Euros in die Tasche zu spülen.

 

In dieser ersten Stunde fiel aber schon auf, das Elton heute sehr rockig war und die Arrangements der Lieder sehr lang, mit einigen Soli und mehreren Höhepunkten waren. Ganz anders als man Elton von den Alben her kennt.

 

Der Moment mit dem Elton mich und einen Grossteil des Publikums bekam, war eine unfassbare über zehn Minuten Version von „Rocket Man“. Höhepunkte und ruhige Stellen wechselten sich unzählige Mal ab. „Rocket Man“ gehört bei weitem nicht zu meinen Lieblingsliedern von Elton, sondern ganz im Gegenteil. Aber diese virtuose Nummer mit großartigen Soli hätte ich höchstens Mark Knopfler zu getraut. Nach diesem Lied war das Konzert ein komplett anderes. Elton hatte die Halle völlig im Griff und er zündete ein Feuerwerk der Hits.

 

Es sollte die beeindruckenste und beste Stunde Konzertmusik meines Lebens folgen (Sorry Bruce!). Es folgte nun ein ruhiger Teil. Die Band verließ die Bühne und Elton spielte am Piano alleine die Superballaden „Sacrifice“ und „Candle in the wind“. Nach diesen sehr fühlvoll dargebrachten Liedern toste der Applaus durch die Arena. Der gerade auf die Bühne gekommene Gitarist animierte das Publikum und deutete immer wieder auf Elton. Elton lief seine erste aber nicht letzte Ehrenrunde auf der Bühne.

 

Nun ging das Gewitter in der Halle richtig los. Wo uns “All the young girls love Alice” schon richtig einheizte, stand und tanzte bei „I´m still standing“ die ganze Halle. Die Halle kochte über. Man sah nur noch wild tanzende Menschen. Auch die spießigsten Menschen oder betagteren Fans flippten völlig aus. Nach „I´m still standing“ kam dann der Kracher „Saturday Nights alright for fighting“ passend zum Samstagabend. Dieser an sich schon rockige Song fegte in dieser Besetzung wie ein Orkan durch die Halle. Am Ende wurde es wieder einmal Zeit für Elton für eine Ehrenrunde um seinen Flügel, nachdem er sich erst wild gestikulierend auf seinem Klavierhocker stehend feiern ließ. Die dann ruhig erklingenden Klavierakkorde verhießen uns eine wohlverdiente Pause und das Publikum nahm erschöpft Platz. Gerade als unsere Hintern die Sitzfläche erreichten ertönten die ersten Takte von „Crocodile Rock“. Wir sprangen auf und die Extasse ging weiter. Nun brachen alle Dämme. Die Leute tanzen wild durcheinander, vor der Bühne drängten sich die Menschen und Elton saß, lag und kreiselte sich auf seinem Flügel. Elton hatte jeden in der Halle in seinem Griff. Ich dachte mir nur, der kann jetzt jeden Scheiß spielen und die Leute flippen weiter aus. Hier hat sich gezeigt, was für ein großer Entertainer Elton John ist. Nach diesem drögen Beginn solch eine Stunde hinzulegen. Meinen Größten Respekt. Nach diesem Feuerwerk hörte dann Elton kaum auf diesem großartigen hamburger Publikum zu applaudieren. Ich weiß, dass der Spruch ihr wart ein einmaliges Publikum bei jedem Konzert kommen muss, aber Elton war sichtlich ergriffen und von der Stimmung mitgerissen.

 

Man konnte auch an der Band erkennen, wie besonders das Konzert war. Der Gitarrist griente Elton nachher mehrfach an und die beiden stachelten sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Nach „Crocodile Rock“ warfen die Musiker alles was sie entbehren konnten (Drum-Sticks, Handtücher, Gitarrenplätchen, T-Shirts) ins Publikum. Von den Musikern möchte ich den Gitarristen und den Drummer hervorheben. Beide zusammen mit dem Bassisten und (da bin ich mir nicht ganz sicher) dem Keyboarder waren uns schon von der Waldbühne bekannt. Der Drummer peitschte mit einem an meinen Freund Max Weinberg erinnernden Beat die Musik gerade in den Soli nach vorne. Der Gitarrist lieferte sich mit Elton einen Wettstreit bei den Soli (besonders „Rocket Man“) und sorgte besonders für den rockigen Sound. Eltons guten Klaviersoli waren mir in solch einer Bandbreite vorher nicht bekannt. Von seiner Erkältung merkte man nach her nichts mehr.

 

Zur zweiten Zugabe kam Elton dann wie gewohnt im Trainingsanzug. Er ließ sich feiern und ging die gesamte erste Reihe ab und schrieb eine ganz Zeit lang Autogramme, während das Publikum tobte. Der Abend wurde durch „Your Song“ abgerundet. Die erste Strophe spielt Elton alleine und dann setzte die Band ein. Das Konzert klang mit diesen sanften Tönen nach fast zweieinhalb Stunden aus

 

Zusammen gefasst: Nur alleine für diese eine Stunde hat es sich gelohnt, dass diese Halle gebaut wurde. Beim herausgehen habe ich von einigen Leuten gehört, warum Elton nicht gleich so gespielt hat wie in der letzten Stunde. Ich weiß nicht, ob wir solche zweieinhalb Stunden überlebt hätten. Wäre die erste Hälfte besser gewesen, wäre das Konzert die neue Referenz für mich gewesen. So ist für mich die letzte Stunde die Referenz, wie man ohne Pause ein Publikum einheizen kann und das über drei Stunden Konzert von Bruce Springsteen & the E-Street Band ist die Referenz, für ein langes Konzert ohne Schwächen und Durchhängern und der für mich persönlich perfekten Setlist (ich hätte die Reihenfolge vielleicht leicht geändert.

 

(s.e.)

[ stefan@lonereviewer.de ]

 

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