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 Stefan Gwildis: Neues Spiel Live!

Wer Soul-Musik mag und deutsche Texte dazu akzeptiert, kennt sicherlich schon die CD "Neues Spiel" von Stefan Gwildis, die seit Sommer 2003 auf dem Markt ist. Das neue Spiel ist sicher eine der extrem positiven Überraschungen der letzten Jahre im deutschen Musikmarkt. Das einzige Problem der Studio-CD ist die etwas gelackte Produktion mit überwiegend drei Minuten langen Titeln. Die weitaus bessere Alternative war daher bisher, Stefan Gwildis mit seiner 13-köpfigen-Band im Konzert zu besuchen - nur waren diese Konzerte meist binnen kurzer Zeit ausverkauft und Karten wurden zu dreistelligen Eurobeträgen schon im Internet versteigert.

 

Jetzt kann man sich ein Konzert von Stefan Gwildis und Band auch nach Hause holen, in bester Stereoqualität und "in Farbe", wie auf dem Cover der DVD "Neues Spiel Live" witzigerweise vermerkt ist. Die DVD ist die Zwei-Stunden-Fassung des bisher als einstündige Fernsehsendung in den dritten Programmen des NDR und WDR bekannt gewordenen Konzertes aus Schmidts Tivoli im September 2003. Das NDR-Produktionsteam hatte schon für die Fernsehsendung ganze Arbeit geleistet und sowohl visuell als auch klanglich eine hervorragende Sendung produziert. Die DVD-Bildqualität ist daher ausgezeichnet, der Ton in Dolby Digital 2.0 auch perfekt.

cover_spiel_DVD

 

Wer die Titel von der CD "Neues Spiel" kennt und Live-Musik schätzt, wird die DVD-Fassung lieben lernen. Einige Titel sind nicht nur auf dreifache Länge gebracht worden, sondern auch dreimal so gut. Als Beispiel kann der Titel "Schön, schön, schön" dienen, der schon auf der Studio-CD in der Drei-Minuten-Version rockte - auf der DVD innerhalb von neun Minuten aber auch ein Hammond-Orgel-Solo, ein tolles Posaunen-Solo und die in den Titel eingearbeitete Vorstellung der Band enthält. Die Höhepunkte der DVD sind für mich interessanterweise sogar die Titel, die gar nicht auf "Neues Spiel" enthalten sind, sondern von den älteren Stefan-Gwildis-CDs mit Eigenkompositionen ("Komms zu nix" und "Wajakla") stammten. Neben den beiden Titelstücken "Wajakla" und "Komms zu nix" ist hier insbesondere das 10-minütige "Alis Bude" zu empfehlen, bei dem ein Schlagzeug-gegen-Stimme-Duell plötzlich dazu führt, dass der Schlagzeuger und Stefan Gwildis die Rollen tauschen. Stefan Gwildis spielt in einer Strophe das Schlagzeug weiter und der Schlagzeuger steht vorn auf der Bühne und singt. Der Titel "Komms zu nix" geht am Schluss in einen mitreissenden Gospel-Song über.

 

Die dreizehnköpfige Band macht extrem "Druck", spielt mitreissenden Soul-Rock in höchster Perfektion, trotzdem mit einem hohen Spaß- und Improvisationsfaktor. In der Besetzung

 

Stefan Gwildis - Gesang, Gitarre

Mirko Michalzik - Gitarre

Ralph Schwarz - Keyboards

Matze Kloppe - Keyboards

Achim Rafain - Bassgitarre

Martin Langer - Schlagzeug

Pablo Esquaola - Percussion

Hagen Kuhr - Cello

Sebastian Johnny John - Posaune

Lukas Fröhlich - Trompete

Mathias Clasen - Saxophon / Flöte

Alex Prinz - Gesang

Regy Clasen - Gesang

Julia Schilinski - Gesang

 

wurden nicht nur die ausverkauften und umjubelten Live-Konzerte in den letzten Monaten in der Hamburger Musikhalle bestritten, sondern eben auch dieses Konzert aufgezeichnet. Wer sich daher über den Inhalt der Konzert-DVD noch näher informieren will, kann auch einfach unseren Konzertbericht „Stefan Gwildis in der Musikhalle 2003“ lesen. Das dort beschriebene Konzert mit der Netto-Spielzeit von zweieinhalb Stunden enthielt im Gegensatz zur DVD noch einen Gastauftritt von Joja Wendt, mit „Mond über Hamburg“, „Einsamer Jäger“ und „Baby“ drei weitere Gwildis-Titel von früheren CDs und etwas längere Soli und Ansagen. Die tollen Ansagen von Stefan Gwildis gefielen übrigens den DVD-Schnittmeistern gar nicht, dazu später aber gleich noch mehr ..

 

Einige wenige Fehler im Bild (etwa beim Beginn der Zugaben oder im Abspann) stören den optischen Genuss nur wenig. Im Abspann zittert das Bild und es gibt einige kleinere Bildfehler. Das Bild ist beispielsweise bei einigen Schwenks durch das Publikum nicht immer klar – interessanterweise im Gegensatz zur Fernsehübertragung.

Sess_04

 

Nun müssen wir aber noch einmal den Rezensions-Hammer herausholen. Wer die NDR-Übertragung gesehen hat und sich damals schon auf das Konzert in voller Länge freute, braucht leider an einigen Stellen ein Beißholz. Soll man Original und Fälschung unterscheiden, so ist die NDR-Sendung das Original und die DVD leider die Fälschung (siehe zu diesem Thema auch unsere Kolumne „Original und Fälschung: DVD-Produktion im Zwielicht“). Ärgerlicher als die oben genannten Bildfehler, die nur wenige Sekunden lang stören, ist schon der Schnitt, der teilweise stark hinter die NDR-Version zurückfällt, da in einigen Fällen Ansagen oder Vorstellungen von Musikern herausgeschnitten wurden. Warum? Platzgründe können es nicht sein, da es nur eine Tonspur gibt (2.0). So fehlen leider komplett

  • Die Ansage zu „Schön, schön, schön“ (dieser Schnitt ist ein Oberhammer, völlig unverständlich, da diese Ansage ein „Highlight“ von Gwildis-Konzerten ist).
  • Die interessanten Bildteilungen mit Titeleinblendungen am Beginn jedes Titels.
  • Viele Einstellungen, die im NDR zu sehen waren und auf der DVD meist durch eine (uninteressante) Totale ersetzt wurden.
  • Die Absage zu „Warum komm ich so selten dazu, in der Stefan Gwildis sich bei Van Morrison bedankt und auch bei seinem Pianisten Matze Kloppe (im NDR2-Radiokonzert aber zu hören).
  • Während sich die 14 Musiker am Ende des regulären Sets zur gemeinsamen Verbeugung formieren, sieht man nur das Publikum, während der Verbeugung sieht man nur einen Bildausschnitt mit drei Musikern – auch das war im NDR stimmungsvoller gelöst – man sieht alle 14 und die Verbeugung aller.
  • Die Ansage zum letzten Titel „Lass mich nicht allein heut Nacht“.
  • Der Schluss (auch das ist der Oberhammer): Mirko Michalzik und Stefan Gwildis stehen nach dem letzten Titel (einem Duett) auf der Bühne, Stefans Kopf senkt sich langsam in Richtung Mirko und Stefan stellt dann Mirko Michalzik mit Namen vor – was er vorher in der Bandvorstellung während des Titels „Schön, schön, schön“ vergessen hatte. Das fehlt einfach. Frech.

Während dieser Schnitt schon frech ist – beziehungsweise dem Fan jetzt erst auffällt, wie gut dagegen der Schnitt im NDR war -, sind folgende handwerklichen Fehler im „DVD Authoring“ völlig unverständlich. Zum wiederholten Male stimmen im Booklet abgedruckte Titelnummern und die Tracknummer auf der DVD nicht überein. Viele Titel sind in mehrere Tracks unterteilt und hier unsere Ergänzung zum Booklet – zum selber basteln (einfach ausdrucken, zurechtschneiden und zur DVD dazulegen):

 

    1.Musiker betreten die Bühne

    2.Theme from Shaft

    3.Allem Anschein

    4.Mitten vorm Dock

    5.Sie ist so süß

    6.Sie lässt mich nicht mehr los

    7.Wajakla Intro

    8.Wajakla

    9.Drum/Percussion-Solo

    10.Wem bringt das was

    11.Geh doch

    12.Lass ma ruhig den Hut auf

    13.Papa will da nicht mehr wohn!

    14.Warum kommst Du nur zu selten dazu

    15.Que sera, sera

    16.Schön, schön, schön

    17.Komms zu nix Intro

    18.Komms zu nix

    19.Komms zu nix Gospel Outro

    20.Immer weiter

    21.Ali’s Bude Teil 1

    22.Ali’s Bude Teil 2 mit Stefan am Schlagzeug

    23.Ali’s Bude Teil 3

    24.Lass mich nicht allein heut Nacht

    25.Credits

 

Das dumme dabei: Wer in der Einzeltitelauswahl („Spielverlauf“ genannt) mal versucht, „Ali’s Bude“ komplett zu sehen, scheitert: es gibt nur Track 21, danach springt die DVD ins Menü zurück. Keine Chance, die Tracks 22 und 23 zusätzlich oder sogar einzeln anwählen zu wollen. Das gleiche passiert mit den Tracks 1, 7, und 9: sie sind in der Einzeltitelauswahl nicht verfügbar. Und neben „Ali’s Bude“ gelingt es auch nicht, „Komms zu nix“ mal komplett zu sehen – da muss man schon im „gesamten Konzert“ per Skip-Taste herumspringen. Übrigens sind auch die Laufzeitangaben falsch: während „Ali’s Bude“ (Tracks 21 bis 23) tatsächlich mit über neun Minuten angegeben ist, gilt „Komms zu nix“ im Booklet als 5 Minuten lang – weit gefehlt, Tracks 17 bis 19 ergeben insgesamt fast 11 Minuten.

 

Naja, bei der Qualität des Konzertes ist die Einzeltitelauswahl sowieso überflüssig. Meine Frau und ich hatten abends schon einige Mal beim Wein „nur ein bisschen Gwildis“ schauen wollen – und blieben dann zwei Stunden an der DVD hängen bis zum letzten Ton der letzten Zugabe.

 

Zur Ausstattung: Das Zusatzmaterial mit Filmen von den Aufnahmen zu "Neues Spiel" und aus der "Kabine" vor und nach dem "Abpfiff" des Konzertes sind witzig. Insbesondere sieht man, dass die Musiker ihre eigenen Bühnentechniker sind und einer der Keyboarder seine Hammond eigenhändig aus dem Saal trägt. Stefan Gwildis kommentiert alle Filme mit seiner tiefklingenden Stimme. Als Tonspur gibt es nur Dolby Digital 2.0, diese jedoch in exzellenter Qualität. Und da bei Stefan Gwildis keine Raumschiffe von hinten rechts heranfliegen und der Trompeter auch nicht von hinten links spielt, sondern vorn links auf der Bühne steht, ist der Stereoton auch vollends ausreichend für einen perfekten Konzertgenuss.

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Wer Live-Musik mag (ich bin eigentlich Hard-Rock Fan), sollte diese DVD kaufen - sonst entgeht ihm eine Perle toller Live-Musik - mit deutschen Texten. Schade nur, dass zwar Musiker und NDR-Produktionsteam das Prädikat „Champions League - Extraklasse“ verdienen, die DVD-Produktionsfirma aber leider nur in der „Kreisklasse“ spielt.

 

An unsere Lone-Reviewer-Redaktion und insbesondere Andre: Heb Dir mal gut das Datum auf, wann unser Konzertbericht zu Stefan Gwildis ins Netz gestellt wurde (am 4. Januar). Sonst bekommen wir noch Urheberrechtsprobleme mit diesem Konzertbericht, da die Idee, das „neue Spiel“ in Halbzeiten und Verlängerung aufzuteilen wie beim Fußballspiel, auch auf der DVD erscheint – nicht, dass wir hier die Probleme bekommen, Wie war das mit Original und Fälschung? Unser Konzertbericht war das Original ..

 

(a.h., andreas@lonereviewer.de)

 

Bilder mit freundlicher Genehmigung von 105music.de, Credits für das zweite und dritte Foto: Holger Roschlaub

 

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